„Hallo allerseits, ich wünsche euch einen ganz guten Start in die neue Woche. Ich bin gerade dabei, einen Schriftsatz zu verfassen, eine Berufungsbeantwortung“, erzählt Eva Hammertinger in die Handykamera. Die 36-Jährige zeigt mit Storys und Fotos auf Instagram ihren Berufsalltag als Medienanwältin.
Hammertinger ist damit nicht allein, aber eine von wenigen Anwälten, die soziale Medien beruflich und für Eigenmarketing nutzen. In Österreich sei die Zahl überschaubar, sagt sie. Viele hätten Hemmungen, auch weil sie privat oft wenig bis keine Erfahrungen damit hätten oder aus Kostengründen. Besondere Bekanntheit erlangte die Familienrechtlerin und STANDARD-Kolumnistin Carmen Thornton mit über 17.000 Followern auf Instagram. Sie setzte vor über zwei Jahren auf einen virtuellen – und modischen – Auftritt.
Von so einer Followerzahl ist Hammertinger weit entfernt: Seit dem Launch ihrer eigenen Kanzlei – im Juni – nutzt sie Instagram und Facebook beruflich, auf Ersterem folgen ihr rund 580 Abonnenten, auf Letzterem über 280. Vor ihrer Selbstständigkeit war die studierte Juristin und Betriebswirtin in Kanzleien, vertrat in Prozessen unter anderem die Krone und beriet Firmen in der Krisenkommunikation. Seit Oktober 2019 ist sie selbstständige Rechtsanwältin und Unternehmensberaterin, arbeitete zunächst in fixer Kooperation mit ihrer Ausbildungskanzlei. Nach einem „horizonterweiternden Abenteuerurlaub“ in der Atacamawüste im Februar und einer „passenden Fügung“ in der Kanzlei entschied sie sich spontan, im März zu gründen. Eine gute Entscheidung, wie sie heute sagt.
Kontakt zu Followern
Um die eigene Sichtbarkeit zu erhöhen, kommunizierte die Anwältin ihren neuen Berufsabschnitt über Social Media. Das Eigenmarketing stehe aber nicht im Vordergrund, sondern das Medium, Inhaltliches und Netzwerken: „Als Medienrechtlerin ist es für mich essenziell, mich mit Social Media auszukennen und am Ball zu bleiben.“ Sie muss für spätere Verhandlungen wissen, wie die jeweiligen Features und Privatsphäreeinstellungen funktionieren oder was eine Influencerin – die sie auch vertritt – macht. Ebenso möchte sie Studierenden und angehenden Anwältinnen den Beruf zeigen, die Angst davor nehmen: „Es gibt immer noch wenige Frauen in der Branche“, sagt Hammertinger.
Viele stellten nach einer Story Fragen, denen sie sich auch einmal in längeren FAQs widmet. Etwa zu Bildrechten, Hass im Netz oder Influencer-Marketing. So möchte die Juristin Mehrwert schaffen. Instagram sei der relevanteste Kanal, weil sie direkt mit Followern kommunizieren könne, das Verhältnis näher sei. In den vier Monaten habe sie vier Fälle über Instagram bekommen.
Während Hammertinger auf Facebook klassische Beiträge teilt, gibt sie auf Instagram auch private Einblicke: Fotos von der Laufrunde und von Sanddünen der Atacamawüste oder ein Aufruf, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Aber alles zeigt sie nicht: „Hätte ich Kinder, würde ich keine Fotos von ihnen posten, und ich bleibe in meiner Rolle als Anwältin unparteiisch und poste nichts Politisches.“
Authentisch bleiben
Am wichtigsten sei ihr dabei: Authentizität. Ihre Fotos seien zum Beispiel nicht so „professionell wie von Influencern“ und sie würde auch nicht auf modische Selfies setzen, um mehr Follower zu ergattern. „Ich bin nicht der Typ dafür. Ich ziehe mich gern schön an, aber ich präsentiere mich nicht darüber“, sagt Hammertinger. Zumal sie auch nicht die Zeit für lange Fotoshootings habe. Sie betreut ihre Social-Media-Accounts nebenbei und allein. Das sei eine Herausforderung, habe aber auch den Vorteil, schneller reagieren zu können – ohne Redaktionsplan und Freigaben. Andere Kanzleien hätten Interesse, sie wollen über Social Media Employer-Branding oder Akquise machen. Immer wieder kämen Anfragen von Kollegen. Die Juristin gibt Tipps, im September hat sie dazu ein Seminar an der Anwaltsakademie gehalten.
Als Anwältin nur über Social Media präsent zu sein, sei zu wenig, sagt Hammertinger. Man brauche die Website als digitale Visitenkarte und dürfe nicht vergessen, dass man „einen ernsten Job mit viel Verantwortung hat.“ Daher müsse man einen gewissen Rahmen wahren: „Zu lustige Videos auf Tiktok passen nicht zu einer Anwältin.“ (Selina Thaler, 19.10.2020)